Rhadamanthys als Totenrichter

Rhadamanthys (Ῥαδάμανθυς, äol. Βραδάμανθυς, Ϝραδάμανθυς; alter Schreibfehler Ῥαδάμανθος Papyrosfragm. Aeschyl. fr. 99 Nauck Tr. Gr. fr.; lat. Rhadamanthus; Nebenform Ῥαδάμας: Schol. Theokr. 2, 34) war in dem ganzen altkretischen Kulturkreis bekannt als mächtiger König von Kreta, der auf Erden Gesetz und Recht schuf und unter den Toten als gerechter Herrscher und Richter fortwirkte.

Rhadamanthys, wie ihn sich das 19. Jhdt. vorstellte Spuren dieser Mythen finden sich außerhalb Kretas auf Inseln des Ägäischen Meeres, im südwestlichen Kleinasien, auf Euboia und in Boiotien. Zu seiner kretischen Parallelgestalt Minos stand Rh. ursprünglich in keiner näheren Beziehung; die beiden gehörten entweder verschiedenen Mythenperioden an oder, wie Hoeck, Kreta 2, 195 meint, verschiedenen Gegenden Kretas.
Nach dem Erlöschen der altkretischen Kulturperiode knüpfte man zwar mehrfach noch an die alte Überlieferung an, doch fand die Rh.-Sage keine lebendige Weiterentwicklung mehr. In die Heldensage der neuen Zeit wurde Rh. nur selten hineingezogen. von den kretischen Heroen gewann Minos das überwiegende Interesse, und wesentliche Abschwächungen der Rh.-Sage waren die Rückwirkung dieser höheren Bewertung des Minos.
Dies zeigt sich schon in der Genealogie. Kinaithon bei Paus 8,53,5 kannte noch eine alte kretische Sage von dem selbständigen Rh., nach welcher Rh. ein Sohn des Hephaistos … (weiterlesen)